Franz Schreker (1878-1934) bezeichnete den seinem Freund Arnold Schönberg gewidmeten Christophorus oder „Die Vision einer Oper“ als "Mittelding zwischen Schauspiel, Melodram und Oper"; tatsächlich ist der Sprechanteil relativ groß. Christophorus entstand nach Irrelohe und etwa zeitgleich zu Der singende Teufel. Die Partitur wurde 1928 fertiggestellt. Die Instrumentierung ist für Schrekers Verhältnisse sehr zurückhaltend, es finden sich sowohl an den Jazz angelehnte als auch sehr melodiöse, romantisch klingende Passagen; auf einen für seine früheren Opern typischen, sinnlichen Klangrausch wartet man allerdings vergeblich. Als Instrumente kommen u. a. auch Saxophon und singende Säge zum Einsatz.
Wie üblich schrieb Schreker sein Libretto selbst. Die Handlung über einen Komponisten, der ein Streichquartett komponieren soll, stattdessen eine Oper beginnt, in der er selbst handelnde Figur ist, und am Ende doch das Streichquartett schreibt, ist unübersichtlich. Es wird nicht ganz klar, wo genau die Realität endet und Anselms Oper in der Oper beginnt, die eine Auseinandersetzung mit der Sage des Hl. Christophorus anhand der Dreiecksgeschichte Anselm-Lisa-Christoph darstellt. Wie auch sein früheres Werk Der ferne Klang ist die Oper stark autobiographisch geprägt: Der rote Faden ist dabei der Gegensatz zwischen dem talentierten, aber als degeneriert, schwach und verweiblicht diffamierten Anselm (Vorwürfe, denen sich auch Schreker ausgesetzt sah) und dem als stark und bodenständig beschriebenen Christoph bzw. der von beiden komponierten Werke ("verruchte und tolle" Musik Anselms, die neoklassizistische Symphonie Christophs). Damit reagierte Schreker geziehlt auf Kritiker wie Max Chop (1862-1929), die ihm Attribute wie „weibisch, weichlisch, molluskenhaft“, „Körperlosigkeit“, „Kraftlosigkeit“, „Impotenz“, „Krankheit“, „Morbidezza“ und ein „effeminiertes welsches Wesen“ zuschrieben, das sie dem kraftvollen, deutschen Wagner gegenüberstellten. Dieser Gegensatz zeigt sich auch in einer unterschiedlichen musikalischen Behandlung der Figuren: Während bei Anselm Sprechgesang und Dialog vorherrschen, überwiegt bei Christoph der Gesang. Auch die Figur des desillusionierten, gescheiterten Kompositionslehrers Johann dürfte für Schreker, der damals Leiter der Musikalischen Hochschule in Berlin war, eine Identifikationsfigur gewesen sein. Wie immer bei Schreker spielt auch die Sexualität wieder eine große Rolle, diesmal in der Figur Lisa, die, von Anselm mit Lilith gleichgesetzt, sich von der ihr von Christoph zugedachten Mutterrolle zu emanzipieren sucht und das mit dem Leben bezahlt.
Die für 1932 geplante Uraufführung in Freiburg scheiterte an dem Widerstand rechter Kreise und Christophorus wurde zu Schrekers Lebzeiten nie aufgeführt. Die Uraufführung fand erst 1979 in Freiburg in einer gekürzten Fassung statt. Danach folgten lediglich eine konzertante Aufführung in Wien 1991 unter Ingo Metzmacher und eine szenische Aufführung 2002 in Kiel (siehe unten). Auch wenn ich Schrekers frühe Opern vorziehe, gibt es einige musikalisch sehr schöne Stellen.
Gruß Amonasro
Wie üblich schrieb Schreker sein Libretto selbst. Die Handlung über einen Komponisten, der ein Streichquartett komponieren soll, stattdessen eine Oper beginnt, in der er selbst handelnde Figur ist, und am Ende doch das Streichquartett schreibt, ist unübersichtlich. Es wird nicht ganz klar, wo genau die Realität endet und Anselms Oper in der Oper beginnt, die eine Auseinandersetzung mit der Sage des Hl. Christophorus anhand der Dreiecksgeschichte Anselm-Lisa-Christoph darstellt. Wie auch sein früheres Werk Der ferne Klang ist die Oper stark autobiographisch geprägt: Der rote Faden ist dabei der Gegensatz zwischen dem talentierten, aber als degeneriert, schwach und verweiblicht diffamierten Anselm (Vorwürfe, denen sich auch Schreker ausgesetzt sah) und dem als stark und bodenständig beschriebenen Christoph bzw. der von beiden komponierten Werke ("verruchte und tolle" Musik Anselms, die neoklassizistische Symphonie Christophs). Damit reagierte Schreker geziehlt auf Kritiker wie Max Chop (1862-1929), die ihm Attribute wie „weibisch, weichlisch, molluskenhaft“, „Körperlosigkeit“, „Kraftlosigkeit“, „Impotenz“, „Krankheit“, „Morbidezza“ und ein „effeminiertes welsches Wesen“ zuschrieben, das sie dem kraftvollen, deutschen Wagner gegenüberstellten. Dieser Gegensatz zeigt sich auch in einer unterschiedlichen musikalischen Behandlung der Figuren: Während bei Anselm Sprechgesang und Dialog vorherrschen, überwiegt bei Christoph der Gesang. Auch die Figur des desillusionierten, gescheiterten Kompositionslehrers Johann dürfte für Schreker, der damals Leiter der Musikalischen Hochschule in Berlin war, eine Identifikationsfigur gewesen sein. Wie immer bei Schreker spielt auch die Sexualität wieder eine große Rolle, diesmal in der Figur Lisa, die, von Anselm mit Lilith gleichgesetzt, sich von der ihr von Christoph zugedachten Mutterrolle zu emanzipieren sucht und das mit dem Leben bezahlt.
Die für 1932 geplante Uraufführung in Freiburg scheiterte an dem Widerstand rechter Kreise und Christophorus wurde zu Schrekers Lebzeiten nie aufgeführt. Die Uraufführung fand erst 1979 in Freiburg in einer gekürzten Fassung statt. Danach folgten lediglich eine konzertante Aufführung in Wien 1991 unter Ingo Metzmacher und eine szenische Aufführung 2002 in Kiel (siehe unten). Auch wenn ich Schrekers frühe Opern vorziehe, gibt es einige musikalisch sehr schöne Stellen.
Gruß Amonasro

Die Wahrheit nachbilden mag gut sein, aber die Wahrheit erfinden ist besser, viel besser. (Giuseppe Verdi)
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