In diesem Thread möchte ich gerne über eine meiner absoluten Lieblingsopern diskutieren: Don Carlos. Ich glaube, ich besitze von keinem anderen Werk so viele Einspielungen wie von diesem faszinierenden, vielschichtigen Drama über Einsamkeit, Freundschaft, unerwiderter Liebe und absoluter Macht.
Staatsräson als oberste Pflicht und Kirche töten denjenigen, der sich ihnen beugt, psychisch, den, der sich ihnen widersetzt, physisch.
Konsequenter Weise wird jede Hoffnung erstickt, jedes Wünschen bleibt unerfüllt. Augenblicken des Glücks folgt sofort die Ernüchterung.
Den hohen Stellenwert, den diese Oper in Wien hat, zeigt sich an der Tatsache, dass sie als einziges Werk im Haus am Ring in zwei verschiedenen Inszenierungen und Fassungen zu sehen ist. Da gibt's einerseits die schon etwas angestaubte aber immer noch funktionelle alte Inszenierung der italienischen Version (die aber auch bereits unter Weglassung des Fontainebleau-Bilds gespielt wird - teilweise etwas lächerlich mit Ketzern auf fahrbaren Kreuzen) und andererseits die ungestrichene französische Originalfassung in der spannenden Konwitschny-Inszenierung von 2004 (auch als CD erhältlich).
Verdi benützt in dieser Oper nur äußerlich die Form der Grande Opera, um in Wirklichkeit Seelendramen von immenser Dichte und nie da gewesener Intensität zu erreichen. Denn während bei den meisten Opern nur wenige Figuren wirklich ausgeleuchtet werden, (wen interessieren schon Massetto, Oroveso, Gilda, Trovatore-Leonora, Desdemona oder Alvise Badoero, um bei den spannenden Opern bleiben. Opern von Puccini oder Strauss mag ich aufgrund ihrer langeweiligen, uninteressanten Charaktere und der larmoyanten Musik bis auf wenige Ausnahmen - Il Tabarro, Salome, Frau ohne Schatten- generell nicht) entwirft Verdi hier komplexe Bilder und Verflechtungen von sechs Personen und selbst dem Mönch als 7. Protagonisten gibt Verdi ein scharfes, unverwechselbares Profil. Ähnliches gelingt nur Mozart mit Nozze di figaro.
Gleichzeitig setzt Verdi ein politisches und menschliches Manifest für Freiheit und Toleranz und gegen Tyrannentum sowohl in politischer als auch klerikaler Hinsicht (der Tyrann Philipp hat Posa als Antipoden, der Großinquisitor den geheimnisvollen Mönch). In dieser Hinsicht gleicht Don Carlos einem weiteren Geniestreich Verdis, dem Simon Boccanegra. Obwohl beide Opern in der Vergangenheit angesiedelt sind, zeigen sie doch ganz deutlich Menschen des 19. Jahrhunderts (Posa hätte wohl keine Stunde an Philipps Hof überlebt, und in Simones Rede für Toleranz, Liebe und Freiheit spricht wohl Verdi selbst).
Viel wichtiger scheint mir aber, dass Verdis Anliegen auch heute noch so aktuell sind wie vor 150 Jahren.
Eine der großen Versäumnisse der Plattengeschichte ist, dass die Callas keine Don Carlos-Aufnahme hinterlassen hat. Aber es gibt immerhin eine Aufnahme der Elisabetharie und - und da habe ich gestaunt: Oh don fatale! Dass beide Aufnahmen überwältigend sind, versteht sich bei der Callas ja beinahe von selbst.
Aber auch sonst finde ich die Zahl der interessanten bis gelungenen Carlos - Einspielungen- und Mitschnitte recht beeindruckend. Ich kenne eigentlich nur eine einzige Aufnahme, die ich als völlig misslungen und indiskutabel bewerten würde und bei der ich bereue, sie gekauft zu haben. Müßte ich eine Entscheidung um die beste Aufnahme treffen (was mir zugegebener Maßen schwer fallen würde), würde ich mich für den Scala-Mitschnitt 1978 unter Abbado mit zum Teil ungewöhnlicher Besetzung entscheiden.
Ich erwarte mit Spannung eure Don Carlos-Eindrücke.
Liebe Grüße
Werner
Staatsräson als oberste Pflicht und Kirche töten denjenigen, der sich ihnen beugt, psychisch, den, der sich ihnen widersetzt, physisch.
Konsequenter Weise wird jede Hoffnung erstickt, jedes Wünschen bleibt unerfüllt. Augenblicken des Glücks folgt sofort die Ernüchterung.
Den hohen Stellenwert, den diese Oper in Wien hat, zeigt sich an der Tatsache, dass sie als einziges Werk im Haus am Ring in zwei verschiedenen Inszenierungen und Fassungen zu sehen ist. Da gibt's einerseits die schon etwas angestaubte aber immer noch funktionelle alte Inszenierung der italienischen Version (die aber auch bereits unter Weglassung des Fontainebleau-Bilds gespielt wird - teilweise etwas lächerlich mit Ketzern auf fahrbaren Kreuzen) und andererseits die ungestrichene französische Originalfassung in der spannenden Konwitschny-Inszenierung von 2004 (auch als CD erhältlich).
Verdi benützt in dieser Oper nur äußerlich die Form der Grande Opera, um in Wirklichkeit Seelendramen von immenser Dichte und nie da gewesener Intensität zu erreichen. Denn während bei den meisten Opern nur wenige Figuren wirklich ausgeleuchtet werden, (wen interessieren schon Massetto, Oroveso, Gilda, Trovatore-Leonora, Desdemona oder Alvise Badoero, um bei den spannenden Opern bleiben. Opern von Puccini oder Strauss mag ich aufgrund ihrer langeweiligen, uninteressanten Charaktere und der larmoyanten Musik bis auf wenige Ausnahmen - Il Tabarro, Salome, Frau ohne Schatten- generell nicht) entwirft Verdi hier komplexe Bilder und Verflechtungen von sechs Personen und selbst dem Mönch als 7. Protagonisten gibt Verdi ein scharfes, unverwechselbares Profil. Ähnliches gelingt nur Mozart mit Nozze di figaro.
Gleichzeitig setzt Verdi ein politisches und menschliches Manifest für Freiheit und Toleranz und gegen Tyrannentum sowohl in politischer als auch klerikaler Hinsicht (der Tyrann Philipp hat Posa als Antipoden, der Großinquisitor den geheimnisvollen Mönch). In dieser Hinsicht gleicht Don Carlos einem weiteren Geniestreich Verdis, dem Simon Boccanegra. Obwohl beide Opern in der Vergangenheit angesiedelt sind, zeigen sie doch ganz deutlich Menschen des 19. Jahrhunderts (Posa hätte wohl keine Stunde an Philipps Hof überlebt, und in Simones Rede für Toleranz, Liebe und Freiheit spricht wohl Verdi selbst).
Viel wichtiger scheint mir aber, dass Verdis Anliegen auch heute noch so aktuell sind wie vor 150 Jahren.
Eine der großen Versäumnisse der Plattengeschichte ist, dass die Callas keine Don Carlos-Aufnahme hinterlassen hat. Aber es gibt immerhin eine Aufnahme der Elisabetharie und - und da habe ich gestaunt: Oh don fatale! Dass beide Aufnahmen überwältigend sind, versteht sich bei der Callas ja beinahe von selbst.
Aber auch sonst finde ich die Zahl der interessanten bis gelungenen Carlos - Einspielungen- und Mitschnitte recht beeindruckend. Ich kenne eigentlich nur eine einzige Aufnahme, die ich als völlig misslungen und indiskutabel bewerten würde und bei der ich bereue, sie gekauft zu haben. Müßte ich eine Entscheidung um die beste Aufnahme treffen (was mir zugegebener Maßen schwer fallen würde), würde ich mich für den Scala-Mitschnitt 1978 unter Abbado mit zum Teil ungewöhnlicher Besetzung entscheiden.
Ich erwarte mit Spannung eure Don Carlos-Eindrücke.
Liebe Grüße
Werner